Lena Göbel (geboren 1983 in Ried im Innkreis, Österreich) arbeitet auf der Grundlage der traditionellen Drucktechniken Holzschnitt und Kaltnadelradierung in Kombination mit Malerei und Collagetechniken. Allerdings überträgt sie ihre Motive nicht auf traditionelle Weise in speziell für diesen Zweck ausgesuchtes weiches Holz, sondern verwendet gefundenes Holz oder historische Holzobjekte, deren Geschichte jeweils oft entscheidend für die entstehenden Motive ist. Die gemeißelten und geschnitzten Druckstöcke ergeben aufgrund der eher fasernden, rauen Qualität des Holzes Bildträger, deren faserig-gesprungene Ästhetik sich auf die Drucke überträgt und den typischen Stil der Werke von Lena Göbel ausmachen. Die Drucke nimmt Lena Göbel mit dünnem Papier von den eingefärbten Schnitz-Reliefs ab und collagiert sie mit Schellack in einzelnen Fragmenten und in Schichten auf präparierte Leinwände, die anschließend noch weiter bemalt und ausgearbeitet werden.
Für ihre Ausstellung Lost in Transmission verwendet Lena Göbel ausrangierte Alltagsgegenstände aus der Familie mütterlicherseits als Bildträger. Neben historischen Mostfässern aus der familieneigenen Kelterei dient ein ehemaliges Tor aus der Schlosserwerkstatt ihres Großvaters als Material, in das sie Portraits ihrer Vorfahrinnen und Bilder der Transmission einarbeitet. Über die Transmission, einem historischen Riemengetriebe, wurden ausgehend von einem zentralen Antriebsmotor über mehrere Triebriemen sämtliche Maschinen in der Schlosserei zentral angetrieben.
In der Transformation dieser historischen Objekte in geschnitzte Druckstöcke nähert sie sich ihrer eigenen (Bild-) Sprache behutsam und kraftvoll ihrer eigenen Familiengeschichte an und transportiert diese in die Gegenwart.
Für die Künstlerin symbolisiert die historische Transmission, vom Großvater selbst konstruiert, Bewegung und Übertragung und weiter den Lauf der Zeit. Die Kraftübertragung ausgehend von der Antriebsmaschine über Riemen auf damit verbundene Maschinen liest sie sinnbildlich als das Weitergeben von Wissen und Talenten innerhalb einer Familie.
Bilder der Transmission und ihrer Triebriemen hat Lena Göbel in die einzelnen Dauben der zwei hölzernen Mostfässer und alte Holzpaneele gehauen. Die Fässer als auch die aus diesen Druckstöcken erstellten Malerei-Collagen öffnen im ersten Raum der Ausstellung thematisch einen Einstieg in den Rückblick auf ein Familienleben auf dem Land in Österreich.
Der Übergang in den zweiten Raum erscheint visuell erstmal versperrt durch das große ehemalige Tor der Schlosserei des Großvaters. Ein altes gelbes Schild mit der Aufschrift ‚Ausfahrt freihalten‘ lässt uns einen möglichen Durchgang durch die Holzwand schon von weitem erahnen. Passieren die BesucherInnen auf den Spuren der Familiengeschichte die kleine Holztür, finden sie auf der ehemaligen Innenseite der hölzernen Barriere in die Oberfläche eingeschnitzt die Abbilder von Frauen: dargestellt sind die Großmutter Maria und deren Schwester Berta, einmal sich die Hände reichend und einmal Berta allein.
Die zwei Frauen betrieben das Landgasthaus der Familie, der einzigen Lokalität inmitten der kleinen ländlichen Gemeinde – die Großmutter als Wirtin und ihre Schwester als herausragende Köchin. Obwohl der Großvater ein Frankenburger Original und als Schlosser ein recht einflussreicher Mann in dieser kleinen Gemeinde war, so waren die eigentlichen Tonangeberinnen in der Familie die Frauen, die mit ihren Kochkünsten die gesamte Gemeinde und ganz besonders die Männer der Familie ihre Gunst oder Missgunst durch den Gaumen spüren ließen.
Die einstige Gaststube steht noch heute, fast unberührt vom Lauf der Zeit, eingerichtet wie einst, als die zwei Frauen die Seele des Gasthofes bildeten. Längst ist die Gaststube nicht mehr in Nutzung – zumindest nicht mehr in der klassischen Nutzung einer öffentlichen Restauration. Nun bevölkern unendlich viele gestapelte Bilder, Radierungen und andere Drucke der zwei nachfolgenden Generationen den Raum – der Eltern von Lena Göbel als auch von ihr selbst.
Zwei ausgewählte Werke ihrer Eltern zeigt die Künstlerin im dritten Raum der Galerie.
Maria Moser, geboren 1948 in Frankenburg, Österreich, ist Malerin und Bildhauerin. Nach einigen frühen großen Skulpturen aus Eisen, Stahl, Holz und Stein beschäftigt sie sich fast ausschließlich mit der Malerei. Sie malt zumeist großformatige Ölgemälde auf Leinwand, neben Arbeiten auf Papier und Grafiken. Auch Maria Moser verarbeitet in abstrakter Form Eindrücke aus der Schmiede ihres Vaters, die sich zum Beispiel der Glut oder dem Feuer, einem Amboss, oder kraftintensiven Vorgängen wie dem Biegen und Brechen entlehnen. Andere Motive findet sie auf Reisen, in der Natur und auf Schrottplätzen.
Heinz Göbel, geboren 1947 in Salzburg, verstorben 2013 in Frankenburg, Österreich, war Maler und Grafiker. Die Druckpresse, mit der er seine Radierungen umsetzte, wurde von seinem Schwiegervater nach seinen Entwürfen gebaut. Es war die erste und einzige Druckpresse in der Region und viele KünstlerInnen kamen zu Besuch, um die Presse nutzen zu können. Die ausgestellte Kupferradierung von 1991 zeigt die Oberfläche eines Stumpfes eines gefällten Baums.
Die Ausstellung und deren Geschichte bereichernd, zeigt Lena Göbel zusätzlich zu den Werken ihrer Eltern auch noch alte Fotografien und Zeitungsausschnitte, die die Großeltern in ihren jeweiligen Beruf(ungen) zeigen und die Geschichte der Gaststätte und die unterschiedlichen Funktionen des 400 Jahre alten Gebäudes dokumentieren. Ein hand-gefilmtes Video zeigt Aufnahmen aus dem Weinkeller des Gebäudes, in dem der familieneigene Most seit Generationen reift.
Lena Göbel (geb. 1983) lebt und arbeitet in Frankenburg am Hausruck, Österreich. Sie schloss 2008 ihr Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien ab und lebt und arbeitet seitdem zwischen Berlin und Frankenburg.
Zu ihren jüngsten Einzelausstellungen zählen Moser in a Mostshell, Frames, Galerie 422, Gmunden (2024); AONGHUS, Spaced Out, Gut Kerkow (2024); Two worlds and in between, Galerie Bernsteinzimmer, Nürnberg (2022); Lucretia, My Reflection, Museumspavillon, Salzburg (2021).
Göbel hat an mehreren Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter Ausstellung der Kunstresidenz Bad Gastein, Kraftwerk Bad Gastein (2023); Black is the loneliest colour, Kunstverein Eisenstadt (2022); Apeiron – Why Austrinas Now?, The Lithuanian National Museum of Art, Litauen/Vilnius (2021).