Poetische Abstraktion

Die Gruppenausstellung „Poetische Abstraktion“ in den Räumen der Frankfurter Kanzlei Schalast LAW I TAX ist eine konsequente Fortführung des bisherigen WE.DO.ART. Ausstellungskonzepts der Kanzlei. Im Mittelpunkt der Ausstellungsreihe standen bisher kunstimmanente Fragestellungen wie etwa die Bedeutung der Linie als gestalterischem Grundelement, der Umgang mit Reduktion in der zeitgenössischen Kunst, die Entgrenzung der Malerei oder die Verwendung spezieller Bildträger und Materialien.

Viele dieser Fragestellungen finden sich auch in den Werken der Künstler:innen wieder, die in der Ausstellung „Poetische Abstraktion“ präsentiert werden. Auch sie stehen in der Tradition der Moderne und ihrer Nachfolge. So finden sich Arbeiten mit minimalistischem Vokabular und lyrischem Inhalt, Werke mit einem außergewöhnlichem Wechselspiel von Linie und Fläche oder auch ungewöhnliche Bildträger wie Dimitri Hortas Kupferplatten, die durch das Auf- und Abtragen verschiedener Nitrate und Substanzen so bearbeitet werden, dass eine völlig neue, kraftvolle Farbigkeit entsteht, die sich noch einige Zeit nach Fertigstellung des Bildes verändert.

Spannend dabei ist, dass das Moment abstrakter Poesie, das allen ausgestellten Werken eigen ist, oftmals von der Auseinandersetzung der Künstler:innen mit kunstimmanenten Fragestellungen ausgeht. Lisa Tiemanns "COUPLE XXXXVI", ein Objekt aus glasierter Keramik und Pappmaché, dessen zwei gegensätzliche Materialstränge sich in derselben zeichnerisch anmutenden Form aneinanderschmiegen, hinterfragt nicht nur die Gesetze der Schwerkraft, sondern weckt auch Assoziationen mit dem Spiel von Paaren.

Die Nähe vieler Arbeiten zur Literatur, zur Poesie, ist kein Zufall: Christina Krals Serie „Dawn“ etwa, von der drei Arbeiten in der Ausstellung gezeigt werden, ist inspiriert von Emily Wilsons englischer Übersetzung von Homers Odyssee. Für ihre Serie greift sie auf das immer wiederkehrende Motiv der Morgendämmerung zurück. Während die Morgendämmerung "immer erscheint, immer mit rosigen Fingern, immer früh" (Emily Wilson), treibt sie die Geschichte voran und bringt jeden Tag einen neuen Tag hervor. So entstanden in einem fließenden Malprozess 28 Einzelbilder gleichen Formats (100 x 130 cm), die den Betrachter durch die Vielfalt der Farb- und Formenspiele immer wieder überraschen.

Dimitri Horta
versteht in seinen abstrakten Schilfbildern, die den See säumenden Gräser als "wucherndes Gleichnis für das Leben". Flirrend und quirlig fängt es den Wind in seinem Rauschen ein, bietet Insekten und kleinen Fischen Unterschlupf. Aber nicht nur Schutz, sondern auch Gefahr lauert in ihm, Schlangen oder Raubfischen bietet er reiche Nahrung. Dabei greift er auf die Naturphilosophie Hegels zurück, die die Natur als „Sehnsuchtsgrund einer Selbstverständigung“ begreift. So evozieren die Bilder, die sich aus verschlungenen Linien und organischen Formen entwickeln, Emotionen wie Melancholie, Sehnsucht, Verwirrung, Ekstase oder Freude und verweisen auf zahlreiche literarische Texte, die das Schilfgras als Symbol für diese Gefühle verwenden.

George Steinmanns Arbeiten auf Papier spiegeln ebenfalls seine Auseinandersetzung mit Texten der Philosophie wider, sind aber darüber hinaus auch Ausdruck seiner Beschäftigung mit Texten der Naturwissenschaften. Basierend auf dem ihm eigenen ganzheitlichen Denken sind seine „Mindmaps“ als intime Auseinandersetzungen mit essentiellen Fragen unserer Zeit zu verstehen. Mit Bleistift, Farbstift, Pflanzensäften wie Heidelbeersaft, Tusche und Leinöl bearbeitet er das Papier, hält Notizen und abstrakte naturwissenschaftliche Muster fest und überführt sie in eigenständige Kunstwerke. Gerade seine reduzierten „Mindmaps“ bekunden seine Überzeugung , dass die Kunst Antworten auf die großen Herausforderungen des Anthropozäns geben kann. Dabei setzt er nicht auf Worte, sondern überführt sie in den viel offeneren Resonanzraum der Ästhetik.

Ein Weg, den auch Martin Stoya beschreitet, wenn er die Materialien und Formen, die er in seiner Umgebung vorfindet, durch Dekonstruktion in neue, offene Bedeutungszusammenhänge überführt. Er löst seine Materialien, wie zum Beispiel Kacheln, aus ihrem konkreten Kontext und überträgt sie mit Hilfe der Frottagetechnik auf die Leinwand. Die dem Material innewohnenden Bildraster werden dabei verformt, gebogen und in neue Zusammenhänge gestellt. Eine weitere Auflösung des Gegenständlichen erfolgt durch den reduzierten Einsatz von Farbe und das Abtragen von Farbschichten. Im Malprozess arbeitet er Graphit in die Leinwand ein, verwendet aber auch Sprühfarbe, die er mit reduzierten Gesten auf den Bildträger aufträgt. Auf der Bildfläche entsteht ein spannungsvolles Wechselspiel zwischen Linie und Fläche, grafischen Elementen und Malerei, so dass die Bilder trotz (oder gerade wegen) aller Abstraktion poetisch anmuten.

Auf poetische Weise thematisiert auch der aus Venezuela stammende Künstler Rafael Rangel mit seiner Serie „Deserts of Exile“ seine Erfahrungen als Exilant in den USA. Mit seiner gestisch-expressiven Malereien knüpft er an Gedanken an, die der kubanische Dichter Reinaldo Arenas in einem Interview äußerte, bevor er die Vereinigen Staaten erreichte: "Wenn man aus seinem Land flieht, ist das eine Tragödie, eine Katastrophe, und es gibt auch ein Gefühl des Friedens, weil man gerettet wurde, doch das Zuhause ist verloren, das Haus ist abgebrannt.“ Rangel beschreibt seine Serie „Deserts of Exile“ selbst als ein Werk, das sich mit den Themen des fremden Lebens, des Exils und der Vertreibung beschäftigt. „Ich glaube, Kunst beginnt dort, wo die konventionelle Sprache aufhört. Das Exil ist eine Narbe und ein Zwiespalt, mit dem man lernen muss zu leben“ (Leonardo Padrón). In der Ausstellung wird die großformatige Arbeit „Desplazados“ gezeigt.

Dimitri Horta
Reeds
2022
100 x 80 cm
Mixed media on copperplate
€12,000.00
Dimitri Horta
Sonnenuntergang 3#
2020
20 x 14.3 cm
Mixed media on copperplate
€2,400.00
Dimitri Horta
Sonnenuntergang 4#
2020
20 x 14.3 cm
Mixed media on copperplate
€2,400.00
Dimitri Horta
Sonnenuntergang 7#
2022
20 x 14.3 cm
Mixed media on copperplate
€2,400.00
Dimitri Horta
Sonnenuntergang 8#
2022
20 x 14.3 cm
Mixed media on copperplate
€2,400.00
Dimitri Horta
Sonnenuntergang 12#
2022
20 x 14.3 cm
Mixed media on copperplate
€2,400.00
Dimitri Horta
Pink reeds Nr. 02
2021
84 x 60 cm
Mixed media on copperplate
€8,650.00
Rafael Rangel
Desplazados
2021
178 x 125 cm
Ölfarbe, Ölstift, Sprühfarbe und Kohle auf Leinen
€10,000.00
George Steinmann
Call for Ecological Action
2014 / 2015
29.7 x 21 cm
Blueberry juice, tempura with H.B. juice, ballpoint pencil, pencil, framed
€2,800.00
George Steinmann
Walk the Talk
2015 / 2016
29.7 x 21 cm
Blueberry juice, lemon juice, pencil, blue pigment, shellac, framed
€2,800.00
George Steinmann
Climate Report
2015 / 2016
21 x 29.7 cm
Blueberry juice, ballpoint pencil, indigo pigment, shellac, copper, antiseptic, tempera (trace), framed
€2,800.00
Martin Stoya
Untitled
2023
160 x 130 cm
Oil, acrylic and graphite on canvas
€5,200.00
Martin Stoya
Untitled
2023
76 x 65 cm
Oil, acrylic and graphite on canvas
€2,550.00
Martin Stoya
Untitled
2023
39 x 31 cm
Acrylic and graphite on canvas
€1,250.00
Martin Stoya
Untitled
2023
39 x 31 cm
Acrylic and graphite on canvas
€1,250.00