Stein – Licht – Klang
Zu den Steinskulpturen von Kubach & Kropp
Stein entsteht tief im Inneren der Erde, aus
verdichtetem Sand oder aus erstarrter Lava.
Er bildet sich im Zusammenspiel aus Temperatur,
Druck und viel Zeit. Vulkanausbrüche,
natürliche Erosionen oder Erdbeben befördern
ihn ans Licht. Gletscher und fließendes Wasser
tragen ihn über weite Entfernungen und verleihen
ihm charakteristische Formen. Stein ist
Materie unserer Welt, älter als alles Leben und
vereint die Geschichte des Planeten in sich.
Die Herkunft und Entstehung des Steins durch
archaische Urkräfte sieht man den Skulpturen
der Künstlerpaares Kubach & Kropp oftmals
noch an. Die ursprünglichen Oberflächen der
Steine, z.B. rötlich-gelbe Krusten und naturbelassene
Versinterungen kontrastieren mit
bearbeiteten, auf Hochglanz polierten Flächen,
die den Blick in die kristalline Tiefe des Steins
erlauben.
Stein wird oft mit Stärke, Haltbarkeit und Stabilität
in Verbindung gebracht und gilt als festes
und langlebiges Material, das Jahrhunderte,
gar Jahrtausende überdauern kann. So scheinen
gerade die meterhohen Monumentalskulpturen
des Künstlerpaares sämtliche kommende
Zeitalter überdauern zu können. Jene vermutete
Stabilität bringen jedoch beispielsweise
die Säuleninseln gründlich ins Wanken. Durch
einen Anstoß bewegt sich der massive Stein
hin und her, wogt im behäbigen Rhythmus
und klingt dabei erstaunlich klar und kristallin
durch die Säulen, die ausgelösten Bohrkerne
also, die in ihren Löchern mitschaukeln, sich
reiben und jeweils ganz eigene Töne erzeugen.
Säulen – wir assoziieren sie mit Architektur
und Antike. Tempel, historische Gebäude
und Monumente aus Stein sind kulturelles
Erbe. Nicht nur in der Baukunst, auch in der
Bildhauerei
hat Stein eine lange Tradition.
Michelangelo soll gesagt haben, die Skulptur
befände sich bereits im Stein und müsse nur
noch daraus befreit werden. Diese Befreiung
geschieht in den Arbeiten von Kubach & Kropp
mit technischer Raffinesse, mit diamantbesetzten
Werkzeugen, die ihnen ein behutsames
Vorgehen sowie eine hohe Präzision in der
Bearbeitung gestatten. Die Werke des Künstlerpaares
sind sowohl Skulptur im klassischen
Sinn, entstanden durch Wegnahme von Material,
als auch durch das additive Verfahren des
Zusammensetzens der herausgelösten Bohrkerne
zu neuen Werken. So sehen wir es bei
den Steintropfen, den Steinen für den Wind und
den Steinen für die Geborgenheit.
Stein fühlt sich meist kalt und hart an, was in
bestimmten Kontexten als Metapher für Emotionen
oder Persönlichkeitsmerkmale verwendet
werden kann. Die Betitelungen der Werke
des Künstlerpaares widersprechen dieser
Assoziation entschieden, wie man an den eben
erwähnten Steinen für die Geborgenheit sieht.
Aber nicht nur ihre Namensgebung belehrt
uns eines Besseren, auch die Betrachtung der
Steine selbst: ihre abgerundete, organische
Form, die engen Auslassungen in der Oberfläche,
durch die ein wenig Licht in die Tiefe fällt
und die rauh belassenen Endstücke der Granitbohrkerne
zum Glimmern bringt. Es ist wie der
Blick in eine Höhle, in einen Kokon.
Ähnlich vertraute Gedanken stellen sich bei
der Betrachtung einiger Steine für die Begegnung
ein: hier sehen wir oft zwei Elemente,
die sich aneinanderschmiegen und entweder
durch ein Band verbunden eng umschlungen
scheinen, oder ein gemeinsames
Herz teilen. Trotz extrem reduzierter Form
und betonter Gegenstandslosigkeit, stellt
man den Bezug zur menschlichen Zweisamkeit
her und denkt an eine Umarmung, ein
Zusammenrücken. Die Skulpturen strahlen
Ruhe, Wärme und Sicherheit aus.
Aufgrund seiner Dichte und Masse wird
Stein oft mit Schwere und Gewicht in Verbindung
gebracht. Spielen jene Eigenschaften
in einigen Arbeiten eine gewisse Rolle,
so ist es doch in vielen Arbeiten von Kubach
& Kropp das Gegenteil, das uns gegenübertritt.
Den Steinen für das Licht gemeinsam
ist ihre gitterartige Struktur aus unzähligen,
durch den Stein hindurch gebohrten
Löchern,
welche die Schwere und Kompaktheit
des harten Materials auflösen. Der
Positionswechsel des Betrachters sowie das
wandernde Tageslicht verändert das Werk
permanent. Die scheinbar zufällig über die
Fläche hinweg verteilten Kernbohrungen
müssen hierbei sorgfältig gesetzt werden,
um die Stabilität des Konstruktes nicht zu
gefährden.
Auch bei den Steinen für die Stille kommt es zu
einer Auflösung des Volumens: Nebeneinander
gesetzte, feine Lamellen machen die Strukturen
dieser Arbeiten aus. Zudem gesellt sich
bei dieser Werkreihe ein weiterer, unerwarteter
Aspekt hinzu, der bereits bei den Säuleninseln
angedeutet wurde: der des Klangs. Streicht
man mit der Hand über die Lamellen hinweg
entstehen außergewöhnliche, irdene Töne. Der
schwarze schwedische Granit inspirierte mit
seiner besonders dichten und harten Beschaffenheit
die Künstler zu diesen Klangsteinen.
Die Skulpturen von Kubach & Kropp sind
geschaffen, um die Ewigkeit zu überdauern,
doch gleichermaßen sind sie da für uns, für
den Augenblick. Es besteht eine Verbindung
zu urzeitlichen Gefügen, da die Materie Stein
immer sichtbar und bewusst bleibt, gleichzeitig
kreieren die Künstler, etwas völlig Neues,
Unerwartetes. Beweglichkeit, Transparenz,
Klang versus Schwere, Natürlichkeit, Beständigkeit:
Die Skulpturen von Livia Kubach und
Michael Kropp erfüllen sowohl die untypischen
als auch die gängigen Konnotationen
für Steinskulpturen. Sie vereinen in sich Natur
und Kunst in Harmonie.
Carolin Koch