Das Gemälde von Max Ackermann zeigt eine Ansicht seines Domizils in Horn am Bodensee und vereint Landschaft, Architektur und figürliche Darstellung in einer harmonischen Komposition. Die Szene ist durchdrungen von einer sanften, beinahe meditativen Atmosphäre. Im Mittelpunkt steht ein liebevoll gepflegter Garten, in dem eine reiche Blütenpracht in intensiven Farben erblüht. Die Pflanzen scheinen sich fast rhythmisch im Raum zu entfalten – ein Hinweis auf Ackermanns Beschäftigung mit dynamischen Kompositionsprinzipien.
Zwischen den Blumen und in der Nähe des Hauses lassen sich mehrere menschliche Figuren erkennen. Sie sind nicht porträthaft individualisiert, sondern in lockerer, fast skizzenhafter Manier dargestellt. In ihnen spiegelt sich Ackermanns Auffassung der Bewegung als einem essenziellen Bestandteil des Lebens wider – und damit auch als ein zentrales Element seiner Kunstauffassung.
Max Ackermann, der in seinem Werk stets die Verbindung zwischen geistiger Abstraktion und sinnlicher Erfahrung suchte, verstand die Bewegung in der freien Natur nicht nur als körperliche Aktivität, sondern als künstlerisches Prinzip. In seinem späteren Werk entwickelte er eine „Kunst der Bewegung“, die auf inneren Rhythmen, energetischen Linien und farblichen Schwingungen basierte. Auch in diesem Bild sind die Formen sanft moduliert, die Linienführung organisch, und die Farbflächen vibrieren in einem ausgewogenen Spannungsverhältnis.
Die Architektur des Hauses – zurückhaltend und eingebettet in das Grün – bildet einen ruhenden Pol in der Komposition, während der Bodensee im Hintergrund Tiefe und Weite verleiht. Der See, leicht in Dunst gehüllt, öffnet die Szenerie zum Horizont und unterstreicht die kontemplative Dimension des Bildes.
Insgesamt vereint das Werk gegenständliche Elemente mit der Tendenz zur Abstraktion und verweist auf Ackermanns Bestreben, innere und äußere Bewegungen in Einklang zu bringen. Es ist nicht nur ein persönliches Zeugnis seines Lebens am Bodensee, sondern auch Ausdruck einer künstlerischen Philosophie, die den Menschen als Teil einer lebendigen, sich ständig wandelnden Natur begreift.
Blindstempel: Akademie der bildenden Künste DresdenAkademiedruck
Bemerkung: Es gibt Exemplare, die auf 10 nummeriert sind
Drucker: Ehrhardt
Verleger: Otto Dix
Otto Dix: Sitzende, von 1931
Die Zeichnung „Sitzende“ aus dem Jahr 1931 ist ein herausragendes Beispiel für Otto Dix’ Hinwendung zu einer altmeisterlich inspirierten Zeichenkunst, die sich zwischen 1928 und 1933 in seinem Werk entfaltet. In dieser Phase wandte sich Dix zunehmend von der präzisen, konturierten Darstellungsweise der Neuen Sachlichkeit ab und suchte stattdessen nach Ausdrucksformen, die stärker von klassischer Zeichenkunst und malerischen Qualitäten geprägt sind.
Die Darstellung einer sitzenden weiblichen Figur verweist nicht nur auf das traditionelle Aktmotiv der Kunstgeschichte, sondern zugleich auf eine psychologisch aufgeladene, beinahe meditative Stille. Die Verwendung von Rötelkreide – einem warmtonigen, rotbraunen Zeichenmittel – unterstreicht diesen Rückgriff auf klassische Techniken, die seit der Renaissance in der Figurendarstellung genutzt wurden. Rötel ermöglicht dabei nicht nur fein nuancierte Modellierungen der Form, sondern auch eine weiche, körperlich wirkende Plastizität, die in dieser Zeichnung deutlich spürbar ist.
In der Zeichnung „Sitzende“ verzichtet Dix weitgehend auf lineare Konturen zugunsten einer fein abgestuften Tonigkeit. Die Flächen wirken atmend, die Übergänge sind weich – eine Strategie, die durch Verwischungen und flexible Schraffuren verstärkt wird. Die Figur erscheint in sich versunken, zurückhaltend und gleichzeitig präsent. Diese Ambivalenz verweist auf das übergeordnete Thema der melancholischen Innerlichkeit, das viele Werke dieser Phase durchzieht.
Kunsthistorisch gesehen ist das Blatt ein Ausdruck der Rückbesinnung auf die "alte Meisterschaft", wie sie auch in der deutschen Renaissance (etwa bei Dürer oder Hans Baldung Grien) verankert ist. Doch Dix integriert diese Referenz nicht als bloßes Zitat, sondern als Teil einer bewussten Strategie der Verlangsamung und Konzentration. Inmitten der politisch wie künstlerisch unruhigen Zeit der Weimarer Republik und ihrem Übergang in den Nationalsozialismus, erscheint diese zeichnerische Reduktion auf das Wesentliche als eine Art Reflexion über das menschliche Maß, über Stille und Verletzlichkeit.
Die „Sitzende“ steht somit exemplarisch für eine künstlerische Umorientierung bei Otto Dix: weg von der scharf beobachtenden, oft provokativen Darstellungsweise der 1920er Jahre – hin zu einer introspektiven, technisch raffinierten und atmosphärisch dichten Zeichenkunst.
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023